Denkmal auf dem jüdischen Friedhof Ettelbrucks
Das Denkmal auf dem jüdischen Friedhof in Ettelbruck erinnert an die Opfer der Shoah.
Die Anfänge der jüdischen Gemeinde von Ettelbrück nachzuvollziehen ist kaum mehr möglich. Man kann ab 1825 von einer dauerhaften jüdischen Präsenz sprechen, vorher gab es nur einzelne Hinweise auf jüdisches Leben. Zu dieser Zeit zog es immer mehr jüdische Familien nach Ettelbrück, da die Stadt als Zentrum des Viehmarkts im Norden Luxemburgs attraktiv war. Ab 1845 erreichte man die Zahl von mindestens zehn männlichen und mündigen Juden, wodurch es der jüdischen Gemeinde von Ettelbrück gestattet war eigene öffentliche Gottesdienste abzuhalten. Ohne eine Synagoge fanden diese im Haus eines Mitglieds der jüdischen Gemeinde statt. Die Zahl der Juden stieg in den folgenden Jahren immer weiter, sodass in dem Haus nicht mehr genügend Platz war und man 1865 ein Grundstück erwarb, auf dem später die Synagoge errichtet wurde. Unterstützt wurde der Bau 1868 von kommunalen und staatlichen Subsidien, Symbol für Anerkennung und Gleichstellung, und von privaten Spenden. In dem Zeitraum bestand die jüdische Gemeinschaft Ettelbrücks aus 102 Personen.
Im Jahr 1870 wurde die Synagoge fertiggestellt und eingeweihtund ab diesem Zeitpunkt wurde die Synagoge zum Treffpunkt für die Juden aus Everlingen, Diekirch, Grosbous, Consdorf, Waldbillig und Medernach. Grundsätzlich gab es keine Probleme zwischen den Bürgern aus den verschiedenen Religionsgruppen. Bei der Einweihung und den Festigkeiten waren beispielsweise auch zahlreiche Katholiken anwesend. Dennoch kam es zu einem antisemitischen Eklat rund um die Einweihung und die katholische Kirche. Der Pfarrer von Ettelbrück wohnte den Feierlichkeiten nicht bei und warnte kurze Zeit später die gläubigen Christen, nicht bei jüdischen Händlern einzukaufen, da sonst der Kirchenbann drohe. Auch das christlich orientierte Luxemburger Wort äußerte sich negativ zur Einweihung und griff in späteren Ausgaben die antisemitischen Stereotypen vom verräterischen Volk und den betrügerischen Juden, die christliche Bauern ausnutzen und betrügen würden, auf. Ein Zeichen für einen bestehenden Antisemitismus. Die jüdische Gemeinde wuchs weiter und vor allem im geschäftlichen Bereich spielten die Juden eine wichtige Rolle. In Ettelbrück gab es jüdische Pferdehändler, Metzger, Schuster oder Wollwarengeschäfte. 1880 lebten 12 jüdische Familien in Ettelbrück und die Regierung genehmigte den Bau eines eigenen jüdischen Friedhofs, da der Transport nach Luxemburg-Stadt durch das dauerhafte Anwachsen der Gemeinde mit der Zeit zu teuer und aufwendig wurde. Eröffnet wurde der Friedhof 1881. 1889 bestand die jüdische Gemeinde bereits aus 30 Familien und man entschied sich dazu direkt neben der Synagoge 1890 eine jüdische Schule zu errichten, in der der Rabbiner lebte. Die jüdische Gemeinde genoss ein gutes Ansehen in Ettelbrück, da jeder von ihrer Präsenz und der Anziehungskraft ihrer Qualitätswaren profitieren konnte. Wie integriert die Juden in dieser Periode waren kann man daran erkennen, dass es jüdischen Mädchen ab 1900 erlaubt war, das katholische Pensionat Sainte-Anne zu besuchen oder dass hohe Stellen innerhalb der Gemeinde von jüdischen Bürgern eingenommen wurden. So wurde Arthur Wollf Präsident des Turnvereins und Jules Godchaux sowie Emile Hertz in den Gemeinderat gewählt. In den folgenden Jahrzehnten stieg die Anzahl der jüdischen Familien weiter und in den 1930er gab es etwa 45 jüdische Haushalte und 124 Juden in Ettelbrück. Zu dieser Zeit revolutionierten die jüdischen Geschäftsleute das Konzept der Geschäftslokale. Man ging von dem Konzept des kleinen Ladens weg und versuchte die Leute mit großen Läden und großen Schaufenstern anzuziehen. Eine Neuheit in Luxemburg. Man kann die jüdische Gemeinde in der Vorkriegszeit also als festen Bestandteil Ettelbrücks bezeichnen.
Mit der deutschen Invasion veränderte sich das Leben der Juden von Ettelbrück schlagartig und das ganze jüdische Leben kam abrupt zum Stehen. Es begann die Zeit von Übergriffen durch Soldaten der Wehrmacht und von Mitgliedern der Volksdeutschen Bewegung. Auch die Synagoge von Ettelbrück blieb nicht verschont. Im August 1940 brachen Kollaborateure in die Synagoge ein und zerstören die Inneneinrichtung, nur die Thora konnte vorher in Sicherheit gebracht werden. Eigentlich war geplant die Synagoge abreißen zu lassen, was jedoch nicht passierte, da in einer ersten Phase kein luxemburgisches Unternehmen bereit war den Auftrag anzunehmen und durch den Kriegsverlauf geriet das Vorhaben in Vergessenheit. In den folgenden Monaten kam es immer wieder zu übergriffen, so wurden beispielsweise die Wohnungen und Geschäfte der Juden mit Farbe beschmiert und mit der Aufschrift Jude versehen. Auch in Ettelbrück war die Enteignung und die Übergabe der jüdischen Unternehmen in deutsche Hände spürbar. So wurden Teile des Lagers der jüdischen Handtaschenfabrik Eleta an die Hitlerjugend übergeben oder die Tuchfabrik aus Ettelbrück fiel in deutsche Hände. Immer mehr Juden ergriffen die Flucht, meist nach Frankreich aber teilweise auch nach Südamerika. Ein Beispiel hierfür wäre Jacques Prangel, der als Kind nach Rio de Janeiro ausgewandert ist und im Jahr 1991 die Gemeinde Ettelbrück kontaktierte, um Kontakt zu ehemaligen Schulkameraden aufbauen zu können. Außerdem ließ er noch durchblicken, dass der FC Etzella immer noch sein Lieblingsverein sei. Teilweise bestanden also starke Verbindungen zu Ettelbrück, die auch über Jahrzehnte erhalten blieben. Juden die nicht geflüchtet sind, wurden nach Fünfbrunnen gebracht und dann deportiert. Die fest verankerte jüdische Gemeinde war verschwunden.
Nach dem Krieg kehrten nur noch 9 jüdische Familien nach Ettelbrück zurück und die Synagoge wurde wieder genutzt. Die jüdische Gemeinde wurde jedoch mit der Zeit immer kleiner, da die Mitglieder entweder starben oder andere Perspektiven verfolgten und auswanderten. 1962 wurde die Synagoge ein letztes Mal für eine religiöse Feier genutzt, ehe sie entweiht wurde, da die Mindestzahl an männlichen Mitgliedern nicht mehr erreicht werden konnte. Das Consistoire Israélite stellte in den folgenden Jahren das Gebäude einem Teppichhändler zur Verfügung und die jüdische Schule wurde an eine Privatperson verkauft. 1991 wurde die Synagoge dann an die Gemeindeverwaltung vermietet. In den ganzen Jahren spielte das Gedenken an die Verfolgung der Juden keine große Rolle außerhalb der jüdischen Gemeinschaft. Diese hatte nämlich bereits 1955 eine Gedenktafel auf dem jüdischen Friedhof angebracht. Es sollte noch einige Zeit dauern, bis das Schicksal der Juden öffentlich thematisiert wurde. Durch die historische Arbeit in den 2010er Jahren, vor allem durch den Artuso-Bericht, wurde das erste Mal so richtig thematisiert, welches Schicksal die Juden in Luxemburg ertragen mussten. In diesem Zeitraum nahm die Erinnerungskultur auch in Ettelbrück an Fahrt auf. Im Januar 2013 war Ettelbrück nämlich die erste Gemeinde Luxemburgs, die in der Fußgängerzone eine Stolperschwelle zum Gendenken an die deportierten Juden installierte. Im darauffolgenden Jahr entstand als Reaktion auf den Artuso-Bericht die Arbeitsgruppe Al Synagog. Man erkannte, wie schade es war, dass die Synagoge nicht als Erinnerungsort wertgeschätzt wurde. Es handelte sich um einen einmaligen Komplex, mit der Synagoge, die den Krieg überlebt hatte und der jüdischen Schule direkt nebenan. Außerdem bedauerte man, dass die jüdische Gemeinschaft, die einen so erheblichen Anteil an der kommerziellen Entwicklung Ettelbrücks hatten, in Vergessenheit geraten war. Ausdruck dieser mangelnden Anerkennung war auch der Fakt, dass ab 1947 eine Straße in Ettelbrück lange Zeit nach Jean-Baptiste Fallize, einem bekennenden Antisemiten benannt wurde, es bis heute jedoch keine Straße gibt, die nach einem Juden benannt wurde. Im Jahr 2017 wurde die Synagoge als Nationalmonument eingestuft und bis 2018 organisierte die Arbeitsgruppe Vorträge und Ausstellungen über die Geschichte des jüdischen Lebens für Schüler der Grund- und Sekundarschule. Im gleichen Jahr kaufte die Gemeinde die Synagoge dem Consistoire Israélite für einen symbolischen Euro ab und übergab sie der Arbeitsgruppe. 2019 wurde dann die A.s.b.l Al Synagog Ettelbréck gegründet, die sich um die Synagoge kümmert. Aktuell befindet sich die Synagoge in einem Renovierungsprozess, da man aus der Synagoge ein kulturell-pädagogisches Zentrum schaffen will.
Seit
1880
Funktion
Jüdischer Friedhof
Seit
1955
Funktion
Denkmal · Jüdischer Friedhof
In anderen Sprachen
Das Denkmal befindet sich auf dem jüdischen Friedhof in Ettelbruck.