Das KZ-Außenlager Cochem-Bruttig-Treis

Das KZ Bruttig-Treis bei Cochem war ein Außenlager des Konzentrationslagers Natzweiler-Struthof. Es existierte, auf die beiden Gemeinden Bruttig und Treis verteilt, vom 10. März 1944 (Ankunft der ersten Häftlinge) bis zum 16. September 1944 (Abtransport aller Häftlinge nach Buchenwald). Das Außenlager, das in den Quellen auch unter dem Namen KL Kochem öfter Erwähnung findet, wurde als Straf- und Arbeitslager zur Rüstungsproduktion genutzt.
Die Rüstungsproduktion sollte aufgrund der Zerstörung mehrerer deutscher Flugzeugwerke durch alliierte Bombenangriffe unter Tage verlagert werden, insbesondere um die Produktion von Kampfflugzeugen zu steigern. Die Verlagerung in bereits bestehende Tunnel und Stollen wurde als sog. A-Vorhaben bezeichnet (im Gegensatz zu den B-Vorhaben beim Neubau eines Tunnels). Das KZ Bruttig-Treis bei Cochem wurde für das Bauvorhaben A7 (Deckname „Zeisig“) genutzt, welches einen 2,6 km langen Reichsbahntunnel zwischen Bruttig und Treis als Produktionsstätte vorsah. Der Tunnel war bereits vor dem Ersten Weltkrieg geplant und zwischen den beiden Weltkriegen erbaut worden. Das Projekt sollte Teil der rechtseitigen Moselstrecke werden, die Trier und Mosel verbinden sollte, nach den Versailler Verträgen aber stillgelegt worden war, sodass es von Anwohnern der Ortschaften als Abkürzung zwischen denselben und zur Champignonzucht genutzt wurde.
Für die Koordinierung des Projekts A7 wurde Führungspersonal des Rüstungsministeriums, des Reichsluftfahrtministeriums, von privaten Unternehmen und von der SS herangezogen. Leiter des Untertageprogramms war der Bauingenieur Dr. Hans Kammler. Bei der ausführenden Firma handelte es sich um die Robert Bosch GmbH, die für dieses Projekt den Tarnnamen WIDU erhielt und später in dem Tunnel Zündkerzen für Flugzeugmotoren herstellte.
Die SS stellte die Häftlinge des KL Kochem als Arbeitskräfte zur Verfügung, was von immanenter Bedeutung gewesen war. Die erste Häftlingsgruppe, die aus 300 Männern überwiegend französischer Herkunft bestand, kam am 10. März 1944 im Lager an. Sie waren sog. NN-Häftlinge (Nacht- und Nebel-Häftlinge). Der Name geht auf den „Nacht- und Nebel-Erlass“ des Oberkommandos der Wehrmacht vom 7. Dezember 1941 zurück und bezeichnet Personen aus dem besetzten Teil von Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Norwegen, die des Widerstandes verdächtigt und nach Deutschland verschleppt wurden, um von einem Sondergericht heimlich zum Tode verurteilt zu werden. Des Weiteren zählten auch Kriegsgefangene und zivile Zwangsarbeiter sowie deutsche Kommunisten, Homosexuelle und „Berufsverbrecher“ zu den Häftlingen. Jüdische und weibliche Häftlinge gab es im KL Kochem nicht.
Die Anzahl der Häftlinge von ursprünglich 300 wuchs schnell auf ca. 1000 Personen an. Ab Mai 1944 waren es sogar ca. 1500 Häftlinge, was bereits einem mittelgroßen Lager entsprach. Die letzte verlässliche Zahl ist auf den 16. September 1944 datiert. An diesem Tag befanden sich 1085 Häftlinge im Lager. Insgesamt konnten bisher nur 2409 Häftlinge aus Frankreich, Polen, der Sowjetunion, Lothringen Elsass, Italien, Kroatien, Norwegen, Jugoslawien, Griechenland, Rumänien, den Niederlanden, Luxemburg sowie dem damaligen Deutschen Reich identifiziert und 98 Todesfälle nachgewiesen werden.
Als Aufgaben standen zunächst der Ausbau von Zugangswegen, die Reinigung und Bebauung des Tunnels, die Anlage der Kanalisation, die Verlegung der Schienen sowie die Betonierungs- und Einebnungsarbeiten an. Das Ganze fand unter miserablen Arbeitsbedingungen statt: In dem Tunnel war es nass, ein permanenter Durchzug erschwerte die Arbeit, die Häftlinge standen teilweise bis zum Knie im Wasser, sie arbeiteten ohne Licht und atmeten die durch Ammoniak und Benzinausdünstungen verschmutzte Luft ein.
Der Tagesablauf der Häftlinge sah wie folgt aus: Nach dem Aufstehen um 4 Uhr morgens folgte das Frühstück, zu dem „ein schwarzer Saft“, wie die Rübensuppe genannt wurde, mit 300 bis 500g Brot gereicht wurde. Der Fußweg zum Arbeitsplatz dauerte bis zu einer Stunde (je nach dem Lager und Arbeitsstelle) und der Arbeitstag zwölf Stunden mit einer 45-minütigen Mittagspause. Um 20 Uhr durften die Häftlinge in das Lager zurückkehren.
Es gab zwei Lager: eines in Treis „Auf der Kipp“ und das andere in Bruttig, auf dem ehemaligen Bahnhofsgebäude. Sie wurden allerdings als ein Lager vom Gasthaus Hess in Bruttig aus verwaltet. Der erste Kommandant des Lagers war der ausgebildete Lehrer SS-Obersturmführer Rudolf Beer, der aus Natzweiler-Struthof mit 300 NN-Häftlinge Anfang März ankam und bis 30. April 1944 tätig war. Am 1. Mai ist er vermutlich aufgrund der Flucht von 21 Häftlingen vom SS-Obersturmführer Walter Scheffe abgelöst worden, der für die Hinrichtung von 13 Häftlingen verantwortlich gewesen war und am gleichen Tag ein Beförderungsschreiben zum SS-Hauptsturmführer erhalten hatte. Nachfolger Scheffes, SS-Untersturmführer Heinrich Wicker, trat seinen Dienst am 1. Juli 1944 an und blieb Lagerkommandant bis zur Evakuierung. Wicker war ausgebildeter Kaufmann und ist der SS im Alter von 16 Jahren beigetreten.
Die Auflösung des Lagers begann im September 1944, als es durch Luftangriffe der Alliierten zu Stromausfällen im Tunnel kam und so die Arbeit unter Tage erheblich beeinträchtigt wurde. Das genaue Datum der Schließung des Lagers ist allerdings umstritten, da das letzte Schreiben an den Lagerkommandanten auf den 16. Oktober 1944 datiert ist.
Bereits kurz darauf erfolgte der Abtransport aller Häftlinge ins KZ Nordhausen und vor dort in das Lager Ellrich/Südharz. Bis zum Ende des Jahres waren lediglich noch „freie Kräfte“, also vermutlich Mitarbeiter der Firma Bosch, im Lager beschäftigt. Die nun nicht mehr benötigte Wachmannschaft, die der Luftwaffe angehörte, ist Ende 1944 in die SS-Totenkopfstandarte überführt worden.
Im Jahr 1947 kam es zur Sprengung des Tunnels, da das Vorhaben, aus dem Tunnel eine hochwassersichere Straße zu machen, gescheitert war. Im Jahr 1980 wurde durch das Landratsamt in Cochem der Vorschlag unterbreitet, die Reste des Tunnels als Luftschutzbunker, für den Fall einer Eskalation des Kalten Krieges, auszubauen. Im Rahmen dieser Planung wurde nie erwähnt, dass an diesem Tunnel Häftlinge eines KZ-Außenlagers gearbeitet hatten.
Bereits 1947 wurden die Funktionäre des Lagers Bruttig-Treis bei Cochem in Raststatt angeklagt. Der Prozess fand vom 22. Juli bis zum 1. August statt. Der zweite Lagerkommandant Walter Scheffe wurde zum Tode verurteilt (es kam nicht zur Vollstreckung der Todesstrafe, stattdessen wurde das Urteil in lebenslange Zwangsarbeit umgewandelt). Der Leiter der Bausonderinspektion, Gerrit Oldeboershuis, wurde zu lebenslanger Zwangsarbeit verurteilt. Die anderen an der Bauleitung beteiligten Personen, unter ihnen Karl Burckhardt, Oswald Allhäuser, Anton Zimmermann und Oskar Kröber, wurden zu Gefängnisstrafen von einem bis zu 10 Jahren verurteilt.
Das Gerichtsverfahren gegen den ersten Lagerkommandanten Rudolf Beer fand in Stuttgart statt, in dem er jedoch für das Geschehen im Lager Bruttig-Treis nicht belangt wurde, sondern nur für die von ihm begangenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit im KZ Ravensbrück. Der letzte Kommandant von Bruttig-Treis, Heinrich Wicker, kam unter unbekannten Umständen im Jahr 1945 ums Leben.
Die Geschichte des Lagers Bruttig-Treis bei Cochem geriet nach dem Zweiten Weltkrieg schnell in Vergessenheit. Zum ersten Mal wurde 1992 aufgrund des Werkes von Ernst Heimes „Ich habe immer nur über den Zaun gesehen. Suche nach dem KZ-Außenlager Cochem“ eine öffentliche Debatte angeregt. Eine weitere Veröffentlichung von Guido Pringnitz mit dem Titel „Deckname ‚ZEISIG‘. Dokumentation zum Treis-Bruttiger-Tunnel, Dokumentation zum Außenlager Kochem-Bruttig-Treis“ erschien im Jahr 2016. Ebenso wurde der Förderverein „KZ-Außenlager Cochem“ gegründet. Im Jahr 2018/19 wurde durch eine Arbeitsgruppe unter Leitung der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz das „Konzept für die Gedenkarbeit zum KZ Außenlager Kochem-Bruttig- Treis“ erarbeitet. Es wurden Gedenksteine auf den Friedhöfen in Treis (1984) und Bruttig (1986) angebracht, die an die Opfer des KZ-Außenlagers Treis-Bruttig erinnern.

Seit

1944

Funktion

Außenlager

Funktion

Historisches Gelände

In anderen Sprachen

Erinnerungsort

Am Laach 21

56253 Treis-Karden

7.289680, 50.167950

Das Außenlager befand sich an der Stelle, an der sich heute ein Baumarkt befindet.

    Quellen

    • Heimes, Ernst: Bevor das Vergessen beginnt. Nachermittlungen über das KZ-Außenlager Cochem, Zell/Mosel 2019.

    • Heimes, Ernst: Ich habe immer nur den Zaun gesehen. Suche nach dem KZ-Außenlager Cochem, Zell/Mosel 2019.

    • Pringnitz, Guido: Deckname "ZEISIG". Dokumentation zum Treis-Bruttiger-Tunnel. Dokumentation zum Außenlager Kochem-Bruttig- Treis, Treis-Karden 22018.

    • Stegmann, Robert: Das Konzentrationslager Natzweiler-Struthof und seine Außenkommandos an Rhein und Neckar 1941-1945, Berlin 2010.

    • Stähle-Müller, Ksenia: Das KZ-Außenlager Kochem-Bruttig-Treis, in: Blätter zum Land 80 (2019).

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