Gedenkstätte KZ Osthofen
Kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 wurde in der ehemaligen stillgelegten Papierfabrik in Osthofen ein Lager „zur Konzentration“ (=Inhaftierung) politischer Gegner eingerichtet. Osthofen war somit das erste sog. „frühe“ Konzentrationslager des Volksstaates Hessen.
Laut Anordnung des Staatskommissars für das Polizeiwesen in Hessen, Dr. Werner Best, wurde das Lager Osthofen am 1. Mai 1933 eingerichtet, um dort „alle aus politischen Gründen in Polizeihaft genommene Personen unterzubringen […], deren Haft bereits länger als eine Woche dauert oder über eine Woche ausgedehnt werden soll.“ Das Lager wurde in der seit 1872 existierenden Papierfabrik, die ursprünglich dem jüdischen Fabrikanten Karl Joehlinger gehört hatte und im März 1933 beschlagnahmt worden war, eingerichtet. Insgesamt waren im Konzentrationslager zeit seines Bestehens fast 2000 Häflinge inhaftiert. Dies ergibt sich aus einer Recherche des Fördervereins „Projekt Osthofen e.V.“, der im Rahmen eines Projekts über 1860 Häftlingsnamen zu ermitteln vermochte. Vermutlich liegt die Dunkelziffer jedoch wesentlich höher. Es kann davon ausgegangen werden, dass insgesamt bis zu 3000 Männer und auch einige Frauen in Osthofen inhaftiert waren. Die durchschnittliche Haftzeit betrug dabei circa zwei Wochen.
Zu den Häftlingen gehörten hauptsächlich Sozialdemokraten, Kommunisten, Gewerkschaftler und Angehörige der Republikschutzformation „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ sowie des „Rot-Front-Kämpferbundes“, aber auch rheinische Separatisten, die sich für die Idee der unabhängigen Rheinischen Republik eingesetzt haben. Es wurden auch jüdische Häftlingen eingesperrt, die gleichzeitig politische Häftlinge waren.
Die Existenz des Lagers wurde nicht verheimlicht. Im Gegenteil kam dem Konzentrationslager eine ausführliche Berichterstattung zwecks Prävention jeglichen Widerstandes zuteil. Zum ersten Lagerleiter hatte Werner Best den Osthofener NSDAP-Landtagsabgeordneten Karl d’Angelo ernannt. Leiter der Lagerverwaltung wurde der Osthofener SS-Untersturmführer Heinz Ritzheimer. Für die medizinische Versorgung war der SS Sturmbannarzt Dr. Reinhold Daum zuständig.
Es gab keine offiziell dokumentierten Todesfälle im Konzentrationslager Osthofen, allerding schlechte Lebensbedingungen, unzureichende medizinische Versorgung, Essensentzug und Schikane. Im Juni 1934 wurde das Konzentrationslager Osthofen geschlossen. Nach der Schließung wurden viele Häftlinge in andere Konzentrationslager überstellt, zugleich erwarb die Familie Bühner 1936 das Gelände und errichtete darauf eine Möbelfabrik. Sechzehn Zwangsarbeiter aus Belgien, Frankreich und Polen wurden in der Fabrik von 1942 bis 1945 eingesetzt.
Im Jahr 1942 veröffentlichte die Mainzer Schriftstellerin Anna Seghers den Roman „The Seventh Cross“, der die Flucht von sieben Häftlingen aus dem fiktiven Konzentrationslager Westhofen thematisiert und somit allen widerrechtlich Festgehaltenen ein literarisches Denkmal setzte.
Die erste Gedenkarbeit wurde von ehemaligen Häftlingen durchgeführt. Eine Gedenktafel wurde am 7. Mai 1978 enthüllt. Der Text auf der Gedenktafel lautet:
„Hier war 1933–35
das hessische
KZ Lager Osthofen
Niemals wieder!
Lagergemeinschaft
ehemaliger Insassen
des KZ Lagers Osthofen“
Seit März 1988 befindet sich das Gebäude des ehemaligen Konzentrationslagers Osthofen unter Denkmalschutz. Der 1986 gegründete „Förderverein Projekt Osthofen e.V.“ hat sich die Errichtung einer Gedenkstätte zum Ziel gesetzt. Das Gesamtkonzept der Gedenkstätte wurde in Zusammenarbeit verschiedener Organisationen erarbeitet. Beteiligt waren die Lagergemeinschaft ehemaliger Häftlinge des KZ Osthofen, der Christliche Friedensdienst, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Rheinland-Pfalz und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten (VVN/BdA) Rheinland-Pfalz. Im Juli 1991 ging das Gelände in Landesbesitz über. Im Jahr 1990 wurde auf dem Gelände die Skulptur des Bildhauers Friedhelm Welge aufgestellt, die einen in sich windenden Häftling darstellt und aus einem vier Tonnen schweren Sandstein geformt wurde. Die Skulptur symbolisiert einerseits die Qualen der Häftlinge sowie das „Herauswinden aus der Vergangenheit“ anderseits. Seit dem Jahr 2002 hat das NS-Dokumentationszentrum Rheinland-Pfalz der Landeszentrale für politische Bildung ihren Sitz in Osthofen. Im Jahr 2004 wurde die Dauerausstellung „Verfolgung und Widerstand in Rheinland-Pfalz 1933-1945“ eröffnet.
Seit
1933
Funktion
Konzentrationslager
Seit
1987
Funktion
Bildungsstätte
Realisierte Projekte
Didaktisch-methodische Hinweise, Betreuung von Schüler- und Studienarbeiten, Informationen für Vor- und Nachbereitung für Lehrkräfte.
Ramona Dehoff
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Quellen
Puvogel, Ulrike /Stankowski, Martin (Hrsg.): Gedenkstätten für die Opfer des National-Sozialismus. Eine Dokumentation. Bonn 1995. S. SS. 681-684.