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Gedenkstätte Gestapo-Lager Neue Bremm

Das Gestapo-Lager Neue Bremm wurde von der Gestapo-Stelle Saarbrücken in den Jahren 1943/1944 als „Erweitertes Polizeigefängnis für Männer und Frauen“ genutzt. Die erweiterten Polizeigefängnisse, die in der NS-Forschung wenig berücksichtigt wurden, stellten eine besondere Einheit im nationalsozialistischen Lagersystem dar und waren im Gegenteil zu den Konzentrationslagern, die vom SS-Wirtschafts-Verwaltungshauptamt gesteuert wurden, lediglich der regionalen Geheimen Staatspolizei unterstellt. Dies bedeutete, dass sie über eine eigene Entscheidungskompetenz hinsichtlich Aufbau, Organisation und Lageralltag verfügten. Somit hatten diese Lager auch mehr Möglichkeiten zur Bekämpfung von politischen Gegnern, da kein Schutzhaftbefehl von höherer Stelle notwendig war.
Durch seine Lage nahe der französischen Grenze diente Neue Bremm zunächst als Durchgangslager für Häftlingstransporte aus dem besetzten Frankreich. Von 1940 bis 1942 war Neue Bremm ein Kriegsgefangenenlager für französische Häftlinge. Zur Erweiterung des Lagers durch den Bau von zusätzlichen Baracken wurden 90 Häftlinge aus dem Gefängnis Lerchesflur eigesetzt. Ab Mitte 1943 wurden im Lager 400 bis 500 Häftlinge untergebracht. Neue Bremm war sowohl Durchgangslager für politische, jüdische sowie „Nacht-und-Nebel“-Häftlinge als auch Arbeitserziehungslager für Arbeitsverweigerer, Faulenzer und Zwangsarbeiter*Innen aus Osteuropa. Es wurden von dort 1267 Frauen nach Ravensbrück, 665 Männer nach Mauthausen, 301 Männer nach Buchenwald, 183 Männer nach Sachsenhausen, 22 Männer nach Neuengamme, 9 Männer nach Dachau und 1 Mann nach Flossenbürg transportiert. Die Haftzeit sollte circa acht Wochen betragen. Aber es gab auch Fälle einer längeren Inhaftierung: Die längste nachgewiesene Haftzeit betrug 109 Tage.
Der Grundriss des Lagers sah wie folgt aus: Die parallel zum Stacheldraht gebauten Baracken, die nach der Häftlingsherkunft unterteilt waren (es gab deutsche, französische und osteuropäische Häftlinge), wurden von der Lagerverwaltung, dem Durchsuchungsraum und dem Eingangsbüro flankiert. In der Mitte befand sich ein Löschteich, der ursprünglich als Wasserreservoir vorgesehen war, dann aber hauptsächlich zur Folter eingesetzt wurde. Auf der anderen Seite befanden sich die Funktionsbaracken: Waschraum, Küche und Effektenkammer. Im Januar 1944 war auch das Frauenlager fertiggestellt, das vom Männerlager durch den noch bis heute erhaltenen Alstinger Weg getrennt war. Ab Sommer 1943 machten osteuropäische Zwangsarbeiter den Großteil der Häftlinge aus.
Die Lebensbedingungen waren miserabel. Aufgrund unzureichender Ernährung verloren einige Häftlinge während der Haftzeit 30 bis 40 kg an Gewicht. Die Häftlingsration bestand am Morgen aus einer Scheibe Brot mit etwas Margarine oder Konfitüre, mittags aus einer klaren Suppe mit wenigen Kohlblättern und abends wiederum aus einer Scheibe Brot und den Resten der Mittagssuppe.
Zusätzlich mussten die Häftlinge auch Schikanen, Folterungen und inhumane Misshandlungen erdulden. Eine häufige Prozedur war der sogenannte „Entengang“ mit auf dem Kopf verschränkten Händen rund um den Löschteich. Den Erinnerungen Bernard Cognets zufolge sind einige Häftlinge bei solchen „Übungen“ umgekommen. Falls niemand starb, wählten die Aufseher willkürlich eine Person aus und ertränkten diese im Becken. Eine medizinische Versorgung war ebenso nicht vorhanden. Bei den Rastatter Prozessen (1946-1954) stellte sich heraus, dass kranke Personen mit Giftinjektionen ermordet worden waren.
Der Umgang mit den Häftlingen war rassistisch geprägt: Juden und Slawen hatten im Lager am stärksten zu leiden, während deutsche Häftling eine größere Überlebenschance besaßen. Für die Mehrheit der Häftlinge gab es keinerlei Erleichterungen, was erklärt, warum das Lager als „Todeslager“ oder „Hölle von Saarbrücken“ genannt wurde. (Quelle aus Erinnerungen)
Aufgrund von Folter, Erschießungen, Hunger und Krankheit starben in dem Lager 82 Häftlinge, davon 43 Franzosen, 15 aus der Sowjetunion, 9 Polen und vier Deutsche. Unter den Toten befand sich auch eine Frau, die aufgrund von Diphterie verstorben ist. Von diesen 82 Personen wurden sechs Häftlinge von Aufsehern erschossen und eine Person beging Selbstmord. Die anderen sollen aufgrund von Erkrankungen verstorben sein.
Das bereits erwähnte Frauenlager von Neue Bremm wurde im Dezember 1943 erbaut und im Januar 1944 in Betrieb genommen. Es gab im Lager zwei Gruppen von weiblichen Insassinnen: Zum einen die sogenannten Arbeitserziehungshäftlinge (Frauen, die aufgrund von Arbeitsverweigerung oder „Bummelei“ angezeigt worden waren und „widerspenstige“ Zivil- oder Zwangsarbeiterinnen aus dem Osten) sowie politische Häftlinge (Widerstandskämpferinnen aus Frankreich). Die erste Häftlingsgruppe wurde zur Reinigung des Saarbrücker Rathauses oder zum Verleimen von Paketen eingesetzt. Die zweite Gruppe blieb öfter ohne Beschäftigung in den Baracken zusammengepfercht. Im Lager wurden zu unterschiedlichen Zeiten circa 200 bis 400 Frauen untergebracht, deren Alltag von psychischer Gewalt geprägt war.
Der erste Kommandant des Lagers war der 30-jährige Polizeiinspektor und SS-Untersturmführer Fritz Schmoll, der eine kaufmännische Ausbildung (mittlerer Reife) abgeschlossen hatte. Bei den Rastatter Prozessen hat er seine Beschäftigung als „reine Verwaltungsdiensttätigkeit“ bezeichnet. Tatsächlich, wie Berichte der ehemaligen Häftlinge bezeugen, führte er Verhöre mit großer Brutalität durch und ordnete Exekutionen von Lagerhäftlingen an, welche im Jahr 1944 vor den Augen der anderen Insassen erschossen wurden.
Der nächste Kommandant war der 24-jährige Karl Schmieden, der mit vierzehn Jahren in die Hitler-Jugend eintrat und mit neunzehn bereits der SS-Totenkopfstandarte angehörte. Während seiner Amtszeit sind die Todesfälle um das Achtfache gestiegen.
Das Lager wurde von ca. 50 Personen verwaltet, von denen viele Gewalt gegen die Häftlinge ausübten. Ein Drittel davon waren pensionierte Berg- und Hüttenarbeiter sowie Kranführer. Es gab aber auch solche wie Eduard Leibfried, der ungeachtet der Drohungen des Kommandanten Schmoll Lebensmittel an die Häftlinge verteilte. Als man ihn dabei erwischte, wurde er entlassen, angezeigt und für zwei Wochen in der Strafanstalt Lerchesflur inhaftiert.
Das Lager Neue Bremm lag nicht im Verborgenen. Es befand sich an einer Hauptstraße, die auch an den Hauptfriedhof grenzte, sodass viele Saarbrücker*Innen das Lager sehen konnten, wenn sie ihre Familiengräber besuchten. Die Häftlinge waren auch im Stadtbild präsent, wenn sie sich auf dem Weg zur Arbeit in einer der Saarbrücker Firmen befanden.
Das Lager wurde im Jahr 1944 nach Heiligenwald verlegt und die Baracken wurden zügig abgebaut, wobei nicht bekannt ist, ob dies aufgrund behördlicher Anordnung oder aus Gründen der Materialabschaffung durch die Bevölkerung geschah.
Die Verantwortlichen des Lagers wurden im Zuge der Rastatter Prozesse, der ersten alliierten Kriegsverbrecherprozesse in der französisch besetzten Zone, verurteilt. Das Verfahren fand im Mai und Juni 1946 statt. Die Kommandanten Schmoll, Schmieden und der Wachmann Nikolaus Drokur, der das Ertränken von Häftlingen im Löschteich als Spektakel veranstaltete, wurden zum Tode verurteilt. Die Vollstreckung fand am 30. Juli 1946 und am 11. Dezember 1947 statt. Neunzehn Männer und Frauen wurden zu Haftstrafen von bis zu 15 Jahren bzw. zu Zwangsarbeit bis zu 3 Jahren verurteilt. Einige Strafen sind später aufgrund der Amnestiegesetze verkürzt worden, zwei Verurteilte wurden freigesprochen.
Das erste Gedenken wurde noch während der französischen Besatzung durchgeführt. Der Militärgouverneur Gilbert Grandval weihte am 11. November 1947 (Jahrestag der Waffenstillstandes 1918) die Gedenkstätte Neue Bremm ein. Die Gedenkstätte enthielt zwei getrennte Areale: zum einen das Lagergelände mit einem angrenzenden Platz und französischsprachiger Gedenktafeln, zum anderen den an ein Bajonett erinnernden 30 Meter hohen Obelisken, der von dem französischen Architekten André Sive entworfen wurde. Die Inschrift darauf lautet: „In Memoriam 1943-1945“. Es ist wenig von dieser ersten Gedenkstätte erhalten geblieben. Nach dem Anschluss des Saarlandes an die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1957 geriet das ehemalige Gestapo-Lager in Vergessenheit. Eine Berichterstattung fand kaum statt und das ehemalige Lagergelände wurde Schritt für Schritt verkleinert, was in der Verlegung der dortigen Autobahn und dem Neubau eines Hotels begründet liegt. 1975 wurde an der Stelle des Frauenlagers das Bauprojekt für ein Hotel mit Swimmingpool der französischen Hotelkette „Novotel“ genehmigt.
Im Jahr 1978 hat die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten“ (VVN-BDA) zusammen mit dem Landesjugendring Saar eine Aktionswoche zur Gestaltung der Gedenkstätte organisiert, im Rahmen derer der Löschteich befestigt wurde. Die erste Dokumentation über das Lager mit dem Titel „Neue Bremm. Ein KZ in Saarbrücken“ wurde von Raja Bernard und Dietmar Renger geschrieben und im März 1984 herausgegeben. Die deutschsprachige Gedenktafel, die am 8. März 1985 angebracht wurde, trägt die Inschrift:
KZ Neue Bremm
1943–1945
Den Widerstandskämpfern gegen
Krieg und Faschismus und Opfern
des Nationalsozialismus
aus 14 Nationen zum Gedenken“
All diese Ereignisse haben die gesellschaftliche Aufmerksamkeit auf das ehemalige Lager gerichtet. 1994 wurde auf städtische Initiative hin ein Arbeitskreis gegründet, der sich mit der Gestaltung der neuen Gedenkstätte beschäftigen sollte. Aus finanziellen Gründen wurde aber lediglich über eine kosmetische Umgestaltung der Gedenkstätte diskutiert.
1998 gründeten mehrere interessierte Bürgerinnen und Bürger die Initiative „Neue Bremm“, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, die Erinnerung an das Geschehen im Lager durch unterschiedliche Aktionen wachzuhalten. Die Initiative veranstaltete die Ausschreibung eines Kunstwettbewerbs unter der Leitung des Architekturhistorikers Michael S. Gullen (Berlin) und des Projektkünstlers Jochen Gerz (Paris) mit dem Ziel der Neugestaltung der Gedenkstätte. Aus 136 eingereichten Arbeiten wurde das Projekt „Hotel der Erinnerung“ der Berliner Architekten Roland Poppensieker und Nils Ballhausen ausgewählt. Dieses Projekt bezog auch das Frauenlager, an dessen Stelle sich nun das Hotel befand, in das Konzept der Gedenkstätte ein. Auf einer 60 Meter langen Wand vor dem Hotel wurden die Begriffe „hostal hostile hotel hostage hostel“, die auf die Ortsgeschichte verweisen, angebracht. An der Mauer errichtete man auch ein Billboard samt Foto, das eine mit ihrem Kind und einem Hund auf der Wiese vor dem Lager spielende Mutter zeigt. Dies weist auf den Bekanntheitsgrad des Lagers unter der damaligen Bevölkerung hin sowie auf den Umstand, dass dessen Präsenz keine zivilgesellschaftliche Courage hervorgerufen hat. Auf der Rückseite der Mauer wurden Informationstafeln mit der Geschichte des Lagers und dessen Opfern errichtet, während die Hotelfassade (heute „Hotel Mercure“) ein Foto von der ehemaligen Gefangenen Yvonne Bergmann zeigt.
Die neu konzipierte Gedenkstätte wurde am 8. Mai 2004 eingeweiht. An der Einweihung nahm der damalige Ministerpräsident des Saarlandes Peter Müller teil. Seitdem wird fortlaufend von der Landeszentrale für politische Bildung Saar, der Initiative Neue Bremm und dem Landjugendring Saar Erinnerungsarbeit geleistet. Außerdem findet seit 2004 jährlich die Aktion „Buddeln und Bilden“ statt.

Seit

1943

Funktion

Gestapo-Lager · Polizeihaftlager

Funktion

Gedenkstätte

Dr. Burghardt Jellonnek
Website besuchen

In anderen Sprachen

Erinnerungsort

Alstinger Weg

66117 Saarbrücken

6.965547, 49.211238

    Quellen

    • Bernard, Horst: Neue Bremm… Einst eine höllische Adresse! Ehemalige Häftlinge des Gestapolagers erinnern sich, Saarbrücken 2010.

    • Bernard, Horst: La Neue Bremm. Vers un nouveau memorial, in: Fleury, Beatrice/Walter, Jacques (Hrsg.): Qualifier de lieux de détention et massacre (4). Dispositifs de médiation mémorielle, Nancy 2011, S. 399-405.

    • Bohr, Kurt/Jellonnek, Burkhart: Gedenkstätte Gestapo-Lager Neue Bremm. Dokumentation der Eröffnung des 4. Bauabschnittes am 21. Oktober 2018, St. Ingbert 2020.

    • Jellonnek, Burkhard: KZ-Gedenkstätte Neue Bremm in Saarbrücken, in: Gedenkstättenrundbrief 99 (2001), S. 3-12.

    • Jellonnek, Burkhard: Die Hölle von Saarbrücken. Geschichte des Gestapo-Lagers Neue Bremm an der deutsch-französischen Grenze, Saarbrücken 2008.

    • Neveu, Cedric: La Neue Bremm et la répression en Moselle annexée (juin 1943- decembre 1944), in: Fleury, Beatrice/ Walter Jacques (Hrsg): Qualifier de lieux de détention et massacre (1). Dispositifs de médiation mémorielle. Nancy, 2008 S. 23-39.

    • Puvogel, Ulrike/Stankowski, Martin (Hrsg.): Gedenkstätten für die Opfer des National-Sozialismus. Eine Dokumentation, Bonn 1995.

    • Volk, Hermann: Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945. Bd. 4 Saarland, Köln 1989.

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